„Wir wollen den Verantwortlichen das Leben erleichtern“

Alles auf einen Blick und jederzeit zugänglich: Mit ihrer Samedis.care-Plattform wollen Thomas Merz und Yves Rausch die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Kliniken können mit den Samedis.care-Tools ihre gesamte Medizintechnik digital managen und den Anwender:innen immer alle aktuellen Infos bereitstellen, um die Behandlungsqualität zu optimieren. 

Samedis.care ist eine Ausgründung der Sana Kliniken AG. Wie kam es dazu?

Thomas Merz: Ich habe über 20 Jahre bei den Sana Kliniken das Instandhaltungs-Management in der Medizintechnik mitverantwortet. Davor war ich als Ingenieur in der Medizintechnik beschäftigt. Somit habe ich beide Seiten erlebt und mich gefragt: Wie schaffe ich einen Kreislauf, so dass die Anwendungs-Erfahrung zurück zum Hersteller kommt? Das ist wichtig, damit der Hersteller seine Produkte technisch optimieren und sich bei Schulungen, Bedienung und Gebrauchsinformation weiterentwickeln kann. Auf der anderen Seite enthalten viele Medizintechnik-Produkte eine Software, die sich verändert während des Lifecycles der Maschine. Das heißt, hier müssen immer wieder neue Informationen an die Menschen kommen, die die Technik tagtäglich anwenden. Dabei dürfen schließlich keine Fehler passieren. Samedis.care ist also aus dem Grundgedanken entstanden, einen möglichst optimalen Informationsfluss in beide Richtungen zu schaffen. Und die Sana Kliniken sind als erster Investor sozusagen Geburtshelfer gewesen. 

Aber es gibt doch standardmäßig Schulungen für die Geräte, oder?

Thomas Merz: Ja schon, aber irgendwann kommt ein Anwendungsfall, der nur selten auftritt. Dann möchte ich mich schnell nochmal darüber informieren, um sicherzugehen, die Maschine richtig zu bedienen. Im Klinikalltag kann es aber sein, dass die Gebrauchsanweisung oder die Schulungsinfos in dem Moment schwer zugänglich sind oder nicht in der passenden Sprache vorliegen. Mit Samedis.care sind alle relevanten Infos immer verfügbar, in dem Moment und an dem Punkt, wo sie gebraucht werden.

Also manche Features, die einen Mehrwert für Patient:innen darstellen würden, bleiben eventuell auf der Strecke?

Thomas Merz: Ja, nicht nur das, mangelnde Wartung und falsche Bedienung bedeuten natürlich auch ein erhöhtes Risiko für Patientinnen und Patienten. Hinzu kommt der Wirtschaftlichkeitsaspekt: Werden die Geräte adäquat eingesetzt? Werden sie voll ausgeschöpft? Habe ich eventuell sogar zu viele Produkte im Gerätepark, also sind einige unproduktiv und damit überflüssig? Diese Fragen lassen sich dank unserer Plattform leicht beantworten, denn Samedis.care liefert erstmals eine sinnvolle Übersicht. Hierüber ließe sich sogar ablesen, ob es wiederkehrende Schäden gibt, die ich vermeiden könnte, wenn ich die Anwender:innen besser instruieren würde. 

Samedis.care kann somit die Qualität auf verschiedenen Ebenen verbessern, weil die Plattform Daten zusammenführt, die man sonst nicht auf einen Blick hätte?

Yves Rausch: Ja, denn in einer Klinik geht es um verschiedene Gruppen. Wir haben die Geräte-Endanwender – Therapeuten, Pflegekräfte oder Ärztinnen –, die je nach Komplexität die Geräte einfach nur bedienen. Dann haben wir Leute, die sich um die Bewirtschaftung der Geräte kümmern. Dafür stellen wir eine Umgebung zur Verfügung, die einen globalen Katalog enthält mit allen Hersteller-Daten zu den Geräten. Hinzu kommen Inventarlisten mit den tatsächlich vorhandenen Geräten. Sollten einmal Probleme mit einem Gerät auftreten, lassen sich über unsere Samedis.care-Plattform direkt alle Service-Informationen abrufen. Dann liefern wir mit unserer Dokumentation der Trainings und Einweisungen sowie der Instandhaltung einen weitreichenden Überblick für die Klinik. Daraus ergibt sich ein wertvoller Datenpool, den die Einrichtung für sich nutzen kann. Wie alt ist mein Gerätepool, was tue ich damit? Wann sollte ich in neue Geräte investieren? Wo bestehen noch Defizite bei Schulungen? In einer Cloud-basierten Umgebung kann man schnell auf Daten zugreifen, die sich quasi beliebig kumulieren lassen. Die Industrie wiederum könnte aus unseren – dann anonymisierten – Daten beispielsweise die Downtimes der Geräte auswerten. 

Okay, ist das Management denn tatsächlich so aufwendig?

Yves Rausch: Naja, nehmen wir mal eine Teamleiterin, die dafür Sorge tragen muss, dass alle ihre Mitarbeitenden auf allen Geräten geschult sind. Allein das zu organisieren, ist eine enorme Herausforderung. Du musst es planen, du musst die Übersicht behalten – und das bei einer gewissen Personal-Fluktuation und dem Umstand, dass es Festangestellte gibt und Freiberufler beziehungsweise Belegärzte, die nur zum Operieren ins Krankenhaus kommen. Mit Samedis.care wollen wir genau diesen Verantwortlichen aktuelle und verlässliche Informationen bereitstellen und ihnen das Leben erleichtern, indem wir ihnen eine bessere Übersicht verschaffen. 

Somit adressiert Samedis.care wirtschaftliche und soziale Themen, denn leicht zugängliche fundierte Infos könnten im Zweifel Mitarbeiter:innen vor Fehlern bewahren.

Yves Rausch: Ja, gerade in der Notaufnahme hast du sehr schnell sehr kritische Situationen. Da möchtest du sicher sein bei der Anwendung von medizinischen Geräten. Wenn jemand das Ultraschallgerät nicht richtig bedienen kann, aber schnell feststellen muss, ob der Patient innere Blutungen hat oder nicht, dann ist das nicht nur für den Patienten ein Risiko, sondern es ist auch eine wahnsinnige emotionale Belastung für den Behandler. 
Thomas Merz: Dann kommt noch der Aspekt hinzu, dass viele medizinische Geräte eine Software enthalten. Es kann schon mal vorkommen, dass eine Ärztin ganz eilig ein Beatmungsgerät benötigt. Sie schaltet es ein und muss feststellen, dass ein Software-Update geladen wurde. Das verunsichert, kostet wertvolle Zeit und dann kann es sein, dass sich die Bedienung verändert hat. So etwas ist Stress pur, wenn es um Leben und Tod geht. Unsere Plattform würde dies schon im Vorfeld wissen und die Betreffenden rechtzeitig über das Update und potenzielle Änderungen informieren. Das schützt die Anwenderinnen und Anwender vor bösen Überraschungen. 

Inzwischen gibt es aber doch auch Medizintechnik-Hersteller, die eigene Plattformen anbieten, oder?

Thomas Merz: Ja, tatsächlich sehen wir bei einigen Herstellern, dass sie ihre eigenen Plattformen bauen. Das ist auch gut, aber bildet dann ja immer nur die IT-/Geräte-Landschaft des einen Herstellers ab. Für Samedis.care erleichtert es aber die herstellerübergreifende Zusammenführung. Wir wollen den Anwendern alle wichtigen Informationen gebündelt präsentieren und gleichzeitig den Herstellern Feedback geben können, sodass sie auch von unserer Universal-Plattform profitieren. Bei uns können sich User ganz leicht ein Profil anlegen und alle Geräte registrieren, für die sie verantwortlich sind. Dann liefert Samedis.care automatisch anlassbezogene Meldungen. Das lässt sich wiederum personalisieren, User können also auswählen, ob sie Meldungen zu allen Geräten sofort bekommen wollen oder nur von den wichtigsten oder nur von ausgewählten Herstellern. 

Samedis.care ist damit auch ein Digitalisierungs-Treiber für die gesamte Medizintechnik-Branche.

Yves Rausch: Ja, wir sind in der Tat Vorreiter, allerdings mit allen Herausforderungen, die das mit sich bringt. Es ist leider auch so, dass der Transformationsprozess im Gesundheitswesen eher schlechter läuft als in anderen Bereichen. Das heißt, wir kämpfen hier noch mit grundsätzlichen Infrastrukturproblemen. In Krankenhäusern sind immer noch Klemmbretter mit ausgedruckten Befunden üblich, selbst das WLAN ist oft unzureichend. Das macht es schwer für neue Technologien beziehungsweise digitale Services. Die Technik für ein digitales Gesundheitswesen existiert, die einzelnen Organisationen sind aber oft noch nicht so weit. Unsere Lösung wiederum hat den Vorteil, dass man keine Software installieren muss, weil sie browserbasiert ist oder als App auf dem eigenen Smartphone oder einem Tablet-PC läuft.
Thomas Merz: Das eigene Handy in der Klinik zu nutzen, ist manchmal nicht gern gesehen oder sogar untersagt, auf der anderen Seite ist die IT-Ausstattung in Kliniken oft mager. Manchmal teilt sich die Stationsleitung einen PC mit mehreren Usern. Dieser PC befindet sich dann leider auch nicht direkt neben der Medizintechnik, über die man gerade mehr Infos haben möchte. Für jede digitale Info immer zum Stationszimmer laufen zu müssen, kostet aber wertvolle Zeit. Besser wäre es, alles mobil an Ort und Stelle zu erledigen. Genau diese Lücke kann Samedis.care schließen. 

Wie hilft Samedis.care bei den klassischen Nachweispflichten?

Yves Rausch: Viele Themen, die wir mit Samedis.care bedienen, schreibt der Gesetzgeber vor. Mit Samedis.care lassen sich Einweisungen planen, durchführen und eben auch dokumentieren. Wer seine Daten über Samedis.care im Griff hat, kann sich zurücklehnen und mit dem Auditor völlig entspannt einen Kaffee trinken – denn die vorgeschriebenen Nachweise lassen sich einfach per Mausklick anzeigen. 

Eure Plattform ist sowohl international als auch interkulturell ausgerichtet. Warum ist das gerade auch wichtig im Gesundheitswesen in Deutschland?

Thomas Merz: Das Gesundheitswesen ist hierzulande schon immer interkulturell gewesen, denn unsere Kliniken beschäftigen sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Pflegekräfte aus dem Ausland. Samedis.care hilft dabei, sprachliche Hürden zu überwinden. Wir wollen unsere Lösung als Plattform-Standard etablieren – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern. Denn egal, ob du Oberarzt in Bolivien bist oder Krankenschwester in Deutschland, du brauchst jederzeit aktuelle und verlässliche Infos über die Medizintechnik, für die du verantwortlich bist. Wir wollen Samedis.care daher für alle Menschen im Gesundheitswesen weltweit zugänglich zu machen.


November Update